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Ich habe die Bindung zu meiner Frau verloren seit sie nach der Geburt im Koma lag

Werner (m, 30) aus Nürnberg:

Im April 17 haben meine Frau und ich Zwillinge bekommen. Einen Tag nach der Entbindung erkrankte meine Frau schwer, sie entkam nur knapp dem Tod. Sie lag mehrere Tage im Koma und hat ihre Kinder erst eineinhalb Wochen nach der Geburt sehen können. Ich wechselte von Besuchen der Kinder zu Besuchen der Frau, was psychisch sehr anstrengend war.

Glücklicherweise wurde auch mir hier psychologische Betreuung angeboten.

Ich habe die Kinder 2 Wochen lang allein im Krankenhaus und anschließend zwei Wochen lang allein zu Hause betreut (mit täglichen Krankenhausbesuchen). Diese Betreuungszeit verlief sehr gut. Allerdings gingen mir die Krankenhausbesuche auf die Nerven, da ich nur noch über das Leid und die Probleme meiner Frau zu hören bekam. Natürlich erkannte ich aber auch an, dass es eine sehr schwierige Situation für meine Frau war und gerade in der kritischen Phase war ich verzweifelt.

Seit meine Frau wieder zu Hause ist (mittlerweile genesen), fühle ich nicht mehr die Bindung zu ihr, die vorher bestand. Ich bin geradezu von ihr genervt, vermeide Berührungen und schrecke vor Berührungen, die von ihr ausgehen, zurück. Ich fühle mich im Bezug auf sie wie ein sehr guter Freund, habe aber aktuell rein kein Interesse mehr auf die Beziehungsebene.

Dies führt nun zu Überlegungen einer Trennung. Woher kommt diese Veränderung der Gefühlswelt? Ist dies zeitlich bedingt und umkehrbar? Sollten wir eine Auszeit nehmen und die dadurch gewonnene Zeit zum Überlegen und In-Sich-Kehren nutzen? Vielen Dank!

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Lieber Werner,

ich danke Ihnen für Ihre Anfrage. Ihre Frau ist nur knapp dem Tod entronnen und Sie haben sich in der Zeit um die Kinder gekümmert. Sie schreiben, dass diese Zeit für Sie psychisch sehr anstrengend war. Das kann ich gut verstehen, denn Sie wussten auch nicht, ob Ihre Frau überleben würde und Sie vielleicht mit den Kindern zurückbleiben. Mein Gefühl ist, Sie haben sich in dieser Zeit der Überforderung unbewusst für das Überleben der Kinder entschieden und sich innerlich von Ihrer Frau abgewandt.

Aus meiner Sicht ist es eine verständliche Reaktion auf ein traumatisch belastendes Ereignis. Die Gefühllosigkeit, die sie jetzt gegenüber Ihrer Frau empfinden, könnte damit zusammenhängen. Ihre Frau lag im Koma, sie befand sich bereits im Übergang vom Leben zum Tod. Doch sie ist zurückgekommen und lebt.

Es ist wichtig, dass Sie beide realisieren, dass jetzt nichts mehr so ist wie vorher. Lassen Sie das Bild gehen, das sie beide voneinander hatten. Lassen Sie die Ansprüche und Vorstellungen von einer perfekten, harmonischen Beziehung los. Das kann schmerzlich sein, ist aber notwendig, damit etwas Neues entstehen kann.

Es wäre gut, wenn sie beide einige Gespräche mit einem Traumatherapeuten führen könnten, um diese Erfahrung aufzuarbeiten. Diese Zuwendung braucht es jetzt, denn mir scheint, dass der Schock noch sehr tief sitzt. Wenn sich dieser allmählich auflöst, können Sie überprüfen, ob Ihre Gefühle langsam hinter der Schutzhaltung wieder auftauchen oder sich wirklich grundlegend verändert haben.

Ich wünsche Ihnen alles Gute. Über ein kurzes Feedback würde ich mich freuen.

Viele Grüße

Anke Wagner
Heilpraktikerin f. Psychotherapie
Bewertung durch den Fragensteller:
Danke für Ihre Einschätzung und Unterstützung





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