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Beziehung am Ende, aber Angst, die Trennung zu vollziehen

Lisa (w, 40) aus Strümpfelbach: Ich bin feige mich zu trennen, aus Angst ihn damit zu verletzen! Ich bin seit 2002 mit meinem Mann zusammen, seit 2006 verheiratet, keine Kinder. Wir haben keine gemeinsamen Hobbys/Interessen und haben uns im Laufe der Jahre auseinander gelebt. Ich muss zugeben, ich habe mich immer mehr von ihm entfernt, weil er in Situationen in denen ich seine Hilfe benötigt hätte, mich stehen lassen hat. Seit zwei Jahren läuft nichts mehr zwischen uns. Streiten tun wir auch nie, da wir in sehr „lauten“ Elternhäusern aufgewachsen sind, verabscheuen wir das. Auf meine Fragen warum er damals nicht für mich da war, als ich ihn brauchte, bekam ich nie eine Antwort. Meistens jedoch war seine Familie der Grund - das vermute ich! Denn sie mögen mich nicht und seine Mutter ist sehr dominant. Mein Entschluss mich zu trennen steht fest, wir sind bereits seit mehr als 7 Jahren in der Krise, es geht einfach nicht mehr und ich merke dass ich ihn nicht so liebe, wie man eben einen Partner liebt. Sondern wie einen Bruder. Er sagte mir mal vor 4 Jahren „ich wäre dir nicht böse, wenn du dich trennen würdest, dann lass uns einfach Freunde bleiben“. Ich werde ihm in dem Gespräch, wenn ich mal endlich den Mut zu finde, keinerlei Vorwürfe machen, im Gegenteil, ich habe daraus viel gelernt, dafür bin ich dankbar.
Was stimmt mit mir nicht, dass ich mich davor sträube? Ich bin mir bewusst dass ich uns beiden keinen gefallen tue, je länger ich warte. Er wird mir immer wichtig sein, und so doof es auch klingt, ich will ihn als Freund nicht verlieren.

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Sehr verehrte Frau L., vielen Dank, dass Sie sich vertrauensvoll an unser Therapeutenteam gewandt haben. Das spricht einerseits für Ihren Mut und andererseits für den großen Leidensdruck, unter dem Sie stehen. Sie stehen vor einer großen und weitreichenden Entscheidung und sind offenbar kein Mensch, der eine solche leichtfertig und schnell fällt. Das zeichnet Sie aus, denn auf leichtfertige Menschen kann man sich ja selten gut verlassen.
Für einen verantwortungsvollen Menschen, wie Sie offenbar einer sind, ist es nie leicht, eine so weitreichende Entscheidung zu treffen. Da braucht es immer Beides: einen gewissen Druck oder eben auch Leidensdruck und Mut! Dass Sie Beides haben, ist in Ihrer Frage spürbar.
Auch wenn Sie schreiben, dass Ihr Entschluss, sich zu trennen fest steht, möchte ich noch einige Fragen in den Raum stellen.
Mein Eindruck (der falsch sein kann!) ist, dass Sie Beide sich irgendwie ja mögen und nicht ganz verlieren möchten. Vielleicht fällt es Ihnen sehr schwer, wirklich miteinander zu reden, zu kommunizieren. Gerade, wenn wir in Familien aufgewachsen sind, wo das die Eltern auch nicht gut konnten und wir uns also nichts Brauchbares abgucken konnten, können wir es in unseren Beziehungen auch oft nicht gut. Schreien wollen Sie nicht - prima!- also bleibt vielleicht nur Schweigen?
Vielleicht versteht Ihr Mann Ihre Fragen gar nicht so, wie Sie sie meinen, vielleicht würde er gern so sein, wie Sie es sich wünschen, aber weiß einfach nicht, wie er was machen soll?
Vielleicht sitzt Ihr Mann zwischen zwei Stühlen, also zwischen zwei Frauen: Seiner Mutter und Ihnen? Er will es vielleicht beiden Seiten recht machen, aber das ist ja unmöglich! Wenn die Ablösung von den Eltern nicht gut gelungen ist, stört das natürlich die Paarbeziehung! Dann braucht Ihr Mann vielleicht therapeutische Unterstützung, um ganz frei zu werden für eine Partnerschaft.
Vielleicht hatten Sie auch sehr hohe Erwartungen an Ihren Mann? Vielleicht wollten Sie immer ganz ungeteilte Aufmerksamkeit von ihm und es tat Ihnen überdurchschnittlich weh, wenn er sie Ihnen nicht immer geben konnte? Vielleicht kränkte Sie sehr, wenn er z.B. auch bei seiner Mutter war oder eigenen Interessen nachging? Vielleicht haben Sie in Ihrem Leben schon vor der Partnerschaft mit Ihrem Mann oft das Gefühl gehabt, zu wenig gesehen und wahr genommen zu werden, also zu wenig Aufmerksamkeit zu bekommen?
Falls das so ist, haben Ihre Wünsche Ihren Mann vielleicht auch überfordert.Und daraus kann ein Teufelskreis entstanden sein von Hoffnungen und Erwartungen - Enttäuschungen - Schmollen - Rückzug - zunehmende innere Distanz.....
Falls Sie meine Thesen ansprechen, wäre eine Eheberatung eine gute Idee, um diese Verstrickungen und ungewollten Probleme ein Stück bewusst zu machen und neue Wege im Zusammenleben auszuprobieren. In meiner Praxis ist es bei fast allen Paaren, die zu mir kommen so, dass aus den besten Absichten zu Beginn der Partnerschaft ungewollt ähnliche Probleme entstanden sind, wie die von Ihnen angedeuteten. Oft finden die Paare dann einen neuen Weg für sich.
Aber nicht immer! Manchmal ist es einfach zu spät und die Trennung ist der beste Weg für Beide.
Ihr Entschluss zur Trennung scheint ja fest zu stehen!
Vielleicht sind auch Sie ja ein Mensch, der prinzipiell bemüht ist, es immer allen recht zu machen? Dann ist es schwer, eine Entscheidung zu treffen! Im Wort ENTSCHEIDUNG steckt die Bedeutung ja schon 2x drin. ENT...bedeutet ja immer etwas los zu lassen, was dann eben nicht mehr möglich ist. SCHEIDUNG bedeutet das auch! Unter den vielen Optionen, die es gibt, gibt es dann diese nicht mehr, sie scheidet aus! Man hat dann Freiräume für etwas Anderes, aber nicht mehr für das, wovon man geschieden ist! Etwas los zu lassen, etwas aufzugeben, etwas zu verlieren... es ist immer mit Schmerz verbunden. Schmerz auf beiden Seiten. Ein Leben ohne Schmerz gibt es nicht und wir tun gut daran, diese Tatsache zu respektieren.
Wenn es Ihnen grundsätzlich schwer fällt, im eigenen Interesse zu entscheiden und dabei einen gewissen Egoismus zu pflegen, brauchen Sie vielleicht ein wenig Unterstützung von einem Unparteiischen. Ich möchte Sie in jedem Fall ermutigen, sich selbst und Ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse ernst zu nehmen! Sie haben Mut! Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Ihren Mut und weniger auf Ihre (normalen) Ängste und Bedenken. Falls Sie das allein nicht schaffen, können ein paar Stunden psychologische Beratung sehr hilfreich sein.
Liebe Frau L., ich hoffe, ich konnte Ihnen einige hilfreiche Anregungen geben. In jedem Fall wünsche ich Ihnen Mut, die Sackgasse zu verlassen! Alles Gute und freundliche Grüße von Katrin Neefe

Ich bitte Sie herzlich, meine Antwort zu bewerten.

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