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Ängste des Partners belasten die Beziehung

Hana (w, 25) aus Berlin: Ich lebe seit zwei Jahren mit meinem Freund in einer Beziehung. Wir erleben Hochs und Tiefs und versuchen, gemeinsam daran zu arbeiten, harmonisch und angstfrei miteinander zu leben.

Mein Freund hat viele Ängste und beschreibt seine Gedankenwelt als 'kreisend und grübelnd und Gedankenstrukturen verfestigen sich'. Seine Grübeleien drehen sich um unsere Beziehung. Wenn er andere Frauen sieht, denkt er (oder grübelt eher), ob es eine bessere für ihn gibt, ob ich hübsch genug bin, ob es etwas Besseres gibt usw. Ich sage ihm immer wieder, seine Gedanken gehören ihm, Zweifel sind etwas Normales. L. hat Angst vor seinen verfestigten Gedanken. Seine Exfreundin hat ihn früher dazu gezwungen, ALLES zu erzählen, was er denkt, damit sie nicht verletzt wird... Ich wünsche mir, dass L. endlich zur Ruhe kommen kann und angstfrei leben kann.

Banale Aussagen, wie 'Das Kleid ist schön' oder 'Ja, ich freue mich aufs Wochenende' oder 'Ich liebe dich' kann er nicht äußern und wenn doch, mit einem Schweif langer Gegen-Erklärungen, die zeigen, wie getrieben seine Gedanken- und Gefühlswelt ist (und die zudem sehr verletzend sind).

Mein Ziel ist es, mit L. noch lange zusammen zu sein, ohne ständig verletzt zu werden, indem meine Persönlichkeit und mein Wesen im tiefsten Grunde verletzt wird. Ich spüre, dass er mich liebt und dass er mit mir zusammen sein will, aber es ist eben manchmal so schwer mit seinen Unsicherheiten zu leben.

Mehr wird mir verwehrt zu schreiben. Vielen Dank für die Hilfe!

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Hana,

Sie schreiben ausführlich und sehr reflektiert! Es scheint so, als würden Sie Ihrem Partner und Ihrer Beziehung bereits mit einer großen Sensibilität begegnen. Die Offenheit, die Sie mit Ihrem Partner versuchen zu leben, zeitigt aber auch die Schattenseiten, nämlich Ihr Gefühl, immer wieder verletzt zu werden.

Sie erzählen von Ihrer Entschlossenheit, mit L. zusammenzubleiben und sich mit seiner seelischen Disposition auseinandersetzen zu wollen. Das zeugt von Ihrer Zuneigung und Ihrem 'Arbeitswillen'. Dennoch spüren Sie bereits, daß Ihr 'Wille' Grenzen erfährt, nämlich dort, wo Sie L.'s Ängsten begegnen. Solche Unsicherheiten sind in der jeweiligen Person begründet und Analysen und Erklärungen - speziell durch den Partner - selten zugänglich. Sie werden die letzte sein, die Ihrem Partner diese Ängste nehmen kann! Das klingt hart und liegt in Ihrer Liebe und Zuneigung begründet! Indem Sie sich den Ängsten Ihres Partners aktiv zuwenden, wird er umso mehr die Gefahr sehen, verletzlich zu werden. Zudem beschreiben Sie auch Ihre Liebe zu L., und Liebe und Analyse passen schlecht zueinander.

Natürlich bleiben Ihnen dennoch Möglicheiten, L. eine angstfreie Öffnung zu ermöglichen. Dazu können Sie Ihre eigenen Gefühle und Empfindungen ins Zentrum rücken: Beschreiben Sie in möglichst vielen (alltäglichen und emotionalen) Situationen möglichst genau Ihre eigenen Wahrnehmungen und Empfindungen, nur zu Ihrer eigenen Person. Sie zeigen damit, daß Sie in der Lage sind, sich angstfrei Ihrer eigenen Innenwelt zuzuwenden und dies auch auszusprechen. L. wird spüren, daß ein solches Verhalten möglich ist, im besten Fall wird er es übernehmen.

Erst in einem nächsten Schritt beginnen Sie, nachdem Sie Ihr eigenes Gefühl benannt haben, auch das von Ihnen bei L. vermutete Gefühl anzusprechen, immer in der 'Ich-Form', z. B. 'ich habe den Eindruck, du fühlst dich überfordert' etc. Dazu benötigen Sie eine gute Beobachtungsgabe und ein hohes Maß an Empathie, also Einfühlungsvermögen. Wenn Sie sich auf diese Weise an L. 'herantasten', zeigen Sie ihm, daß Gefühle auch ohne Angst möglich sind und Sie sehr 'dicht' bei ihm sind, ohne 'übergriffig' zu werden (das typische 'DU bist immer...').

Wenn Sie auf theoretischem Wege mehr zu dieser Art von Begegnung erfahren möchten, empfehle ich Literatur von C. Rogers (person-zentrierter Ansatz) oder - sehr lebenspraktisch - die 'Gewaltfreie Kommunikation' von Marshall Rosenberg.

Natürlich bleibt Ihnen die Option, einen Partnertherapeuten/-berater aufzusuchen, um Ihr Beziehungsgefüge besser kennzulernen und gemeinsam Entwicklungen zu fördern.

Versuchen Sie, L. nicht 'ändern' zu wollen, sondern ihn immer besser zu verstehen und - zu akzeptieren! Es spielt dann keine so große Rolle mehr, woher seine Ängste rühren. Denken Sie daran: ohne seine Ängste wäre L. vielleicht gar nicht derjenige, mit dem Sie eine Partnerschaft führen wollten...

Mit herzlichen Grüßen

Ihr

Holger Nikolai
- Heilpraktiker f. Psychotherapie -
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