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Kann man bei mir schon von Depressionen sprechen?

tear (w, 12) aus Hamburg: Hallo,

ich bin tear und ich habe den Verdacht, dass ich Depressionen habe. Ich sehe keinen Sinn in meinem Leben und jeden Abend sitze ich am offenen Fenster, schaue runter und denke daran, dass ich es so einfach beenden könnte. Was mich hält, ist einzig und allein die Angst.

Ich habe nur zwei Freundinnen, und diese beiden Freundschaften sind sehr instabil. Mit meinen Eltern streite ich mich fast die ganze Zeit, das ist wahrscheinlich nichts besonderes in meinem Alter, aber trotzdem belastet es mich, obwohl es fast immer meine Schuld ist.

Ich bin ein extrem sensibler Mensch, wäge bei jeder Aussage von anderen Menschen ab, ob sie das eventuell böse gemeint haben. Jede noch so kleine Bemerkung (auch wenn sie vielleicht gar nicht so gemeint ist), trifft mich tief und ich werde dann so wütend, dass ich irgendein 'Ventil' dafür brauche. Oft schlage ich gegen Wände oder Spiegel, aber meistens verletze ich mich selbst.

Ich sehe einfach in meinem ganzen Leben keinen Sinn. Ich meine, ich habe in der Zukunft keine Motivation, für die es sich lohnen würde, jetzt das alles zu überstehen. In letzter Zeit geht es mir besonders schlecht und ich verletze mich jeden Tag selbst, auch diese Wutausbrüche, die sich gegen mich selbst richten, werden immer häufiger.

Kann man jetzt insgesamt bei mir von Depressionen sprechen? Oder geht das in Richtung Borderline / Persönlichkeitsstörung? Ich würde mich wirklich über eine Antwort freuen, weil ich nicht weiß, was mit mir los ist.

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe tear,

ich danke dir für deine Anfrage und das Vertrauen, dass du uns entgegen bringst. Ich kann es sehr gut verstehen, dass du endlich wissen möchtest, was mit dir los ist. Doch nur ein Arzt kann dir eine Diagnose stellen, dazu müsstest du vor Ort einen Facharzt für Psychiatrie aufsuchen. Aus der Ferne und ohne dich zu kennen, kann ich dazu keine feste Aussage machen.

Eine Persönlichkeitsstörung wird generell erst im jungen Erwachsenenalter sicher diagnostiziert. Auch wenn deine Symptomatik in Richtung Borderline weist, so wäre es jetzt viel zu früh, dies als eine sichere Diagnose festzulegen.

Wenn ich deine Zeilen lese, habe ich das Gefühl, dass du dich sehr einsam fühlst und sehr auf dich allein gestellt bist. Es gibt in deinem Leben scheinbar keine verlässlichen, stabilen Beziehungen zu Menschen, denen du wirklich vertrauen kannst. Mit deinen Eltern streitest du viel, mit den Freundinnen schwankt es auch. Es ist dann wirklich sehr schwer, eine Perspektive für das Leben zu entwickeln, wenn du dich so zutiefst unglücklich und depressiv fühlst.

Deine Selbstverletzungen helfen dir, ein wenig die innere Spannung abzubauen. Entweder richtest du die Wut nach außen oder gegen dich selbst. In beiden Fällen würde es darum gehen zu schauen, was dich so schwer belastet - und das wahrscheinlich schon seit frühester Kindheit.

Wenn du schreibst, du wägst bei jeder Äußerung deiner Mitmenschen ab, ob sie das böse gemeint haben könnten, so ist das ein Hinweis, dass du ihnen extrem misstraust und etwas Negatives von anderen erwartest. Dass es kein Vertrauen in dir gibt, dass Menschen dich lieben und mögen könnten oder dir etwas Gutes wollen.

Dein System ist quasi auf Abwehr und Verteidigung 'programmiert' und hält ständig Ausschau nach potentieller Bedrohung, die von außen kommen könnte. Das kostet sehr viel Kraft, ist auf Dauer ermüdend und führt dazu, dass die Welt um dich herum sich nicht sicher anfühlt. Kein Wunder also, dass du keine Perspektive hast oder spürst, was du im Leben eigentlich willst. Deine ganze Kraft geht ins Überleben - irgendwie den Kopf über Wasser zu halten.

Ich möchte dich ermutigen, dass du dich traust, dir therapeutische Unterstützung zu suchen, um diese Themen zu bearbeiten. Die Chancen stehen gut, dass es dir gelingen kann, dich wieder aus deiner emotionalen Talfahrt zu befreien. Da du erst 12 Jahre alt bist, wäre es jetzt wichtig, dass du deinen Eltern klar machst, dass du therapeutische Hilfe brauchst und dass es so nicht weitergeht.

Falls sie dich nicht ernstnehmen oder versuchen, dir das auszureden, wende dich an eine andere Vertrauensperson mit der Bitte um Unterstützung. Das könnte ein Vertrauenslehrer, Schulpsychologe, ein naher Verwandter, dein Hausarzt oder wer auch immer sein. Auf jeden Fall ein Erwachsener, der Verantwortung übernehmen kann und bereit ist, dir in diesem Prozess zur Seite zu stehen.

Was die Therapie bestrifft, so ist ein Kinder-und Jugendlichentherapeut für dich zuständig. Deine Krankenkasse übernimmt die Kosten, da brauchst du dir keine Sorgen machen.

Falls du merkst, dass wieder Suizidgedanken auftauchen, rufe bitte die Nummer gegen Kummer an Tel: 116 111. Dort findest du kompetente Ansprechpartner, die dir ebenfalls weiterhelfen können.

Ich wünsche dir alles Gute -
viele Grüße

Anke Wagner
Heilpraktikerin f. Psychotherapie






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