Mein Freund hat mir misstraut - hätte ich etwas anders machen müssen?

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe EMME,

danke für das Vertrauen, mit dem Sie sich an uns wenden.

Einmal die Woche beantworte ich eine Frage auf Psychomeda und ich habe heute Ihre Frage ausgewählt, weil ich glaube, dass es wichtig und hilfreich für Sie und andere LeserInnen ist, die Zusammenhänge zu verstehen, die ich Ihnen heute erläutere.

Es ist ja ganz offensichtlich, wenn ich Ihren Schilderungen folge, dass Ihr Freund ein Problem mit Treue und Vertrauen in Beziehungen hat. Und obwohl er als erwachsener Mann Anfang Vierzig dieses Problem hat, wurzelt es doch in den Erfahrungen seiner Kindheit. Dort liegt die Ursache für sein heutiges Misstrauen begraben. Und ganz egal, was Sie tun oder lassen, es wird immer, früher oder später, einen Trigger geben, der dieses Misstrauen auf den Plan ruft.

Der Trigger war in Ihrem Fall die Deaktivierung der Zuletzt-Online-Funktion auf WhatsApp. Sie haben das Recht, diese Funktion ganz bewusst zu deaktivieren, wenn Sie das so wünschen. Die Eifersucht und das Misstrauen Ihres Freundes ist und bleibt ganz allein sein Problem. Dass er Sie daraufhin kontrollieren und steuern will, und Sie beschimpft, ist leider Teil seines Problems. Das ist alles dysfunktionales, regressives und kindliches Verhalten und völlig unbewusst. Das gehört genau genommen alles in die Vergangenheit und richtet sich gegen die damaligen, versagenden Bezugspersonen. Die Verletzungen haben in der Kindheit stattgefunden. Durch die Trigger in der Gegenwart werden sie lediglich wieder aktiviert.

Fatal, wenn man das nicht erkennt, und glaubt, das, was man jetzt gerade innerlich an Schmerz erlebt, hätte mit der aktuellen Situation zu tun. Ich sage es ganz unverblümt: Ihr Freund hat erst dann eine Chance, eine gute und erfüllte Liebesbeziehung zu führen, wenn er die Belastungen der Vergangenheit erkennt und bearbeitet. Auch hier haben wir es mit wieder einmal mit den Folgen von Bindungstrauma zu tun, die das Erwachsenenleben einschränken. Wenn es Sie interessiert, dann informieren Sie sich weiterführend über Bindungs- und Entwicklungstrauma. Gerne auf meinem YouTube Kanal oder auf anderen Kanälen zu diesem Thema.
https://www.youtube.com/c/TraumaTherapie

Sehen Sie sich auf meinem YouTube Kanal vor allem die Videos der Playlist „NARM- die 5 Kernressourcen“ an. Auch kann ich Ihnen die Bücher von Laurence Heller 'Entwicklungstrauma heilen' und 'Befreiung von Scham und Schuld' empfehlen.

'Trotzdem frage ich mich, was an meinem Verhalten ihn so weit gebracht hat.' Nichts, egal, was auch immer Sie getan oder gelassen hätten, es wäre früher oder später dazu gekommen. Der Grund liegt, wie schon gesagt, in den Bindungsverletzungen, die Ihr Freund in seiner Kindheit erlitten hat. Ob ihm das bewusst ist oder nicht, spielt keine Rolle.

'Wie würden Sie sein Verhalten bewerten?' Sein Verhalten ist die heutige Antwort auf frühere Verletzungen. Daher ist es heute in der Situation mit Ihnen fehl am Platze und destruktiv. Die Wut und alles damit in Zusammenhang Stehende muss, wenn es heilen und gut werden soll, dort ausgedrückt und integriert werden, wo es stattgefunden hat: in der Vergangenheit mit den damaligen Bezugspersonen. Das macht man, wenn man z.B. therapeutisch mit NARM arbeitet.

'Und wie hätte ich in dieser Situation reagieren können?' Wenn Sie über die Zusammenhänge Bescheid gewusst hätten, dann hätten Sie Ihrem Freund ruhig und klar sagen können, dass sein Misstrauen in keinem Zusammenhang mit Ihrem Verhalten steht. Und dass Sie sich weder von ihm noch von sonst jemandem kontrollieren oder beleidigen lassen. Sie hätten ihn unmissverständlich klar gemacht, dass so etwas nie wieder vorkommen darf und/oder ihn dazu aufgefordert, sich selbst erst in Ordnung zu bringen, bevor er wieder an Ihre Tür klopfen darf. Das mag für den ein oder die andere hart klingen, aber ist es nicht hart gegen uns selbst, wenn wir zulassen, dass andere uns misstrauen, uns kontrollieren und uns beschimpfen?

'Ich möchte das gerne verarbeiten damit es mich in meinem weiteren Leben nicht beeinflusst. ' Warum nicht? Diese Erfahrung sollte durchaus Ihr weiteres Leben beeinflussen. Und zwar positiv! Sie sollte sie wacher und bewusster machen. Sie sollte Sie schlauer und selbstsicherer machen. Sie sollte Ihnen größere Klarkeit und Kenntnis verschaffen. Sonst wäre diese Erfahrung ja umsonst gewesen. Das Wissen, dass Sie sich nichts vorzuwerfen haben, und dass Sie sich jederzeit von Menschen abwenden können, die Sie schlecht behandeln, sollte Sie künftig stärker und selbstbewusster machen.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen Klarheit verschaffen und diese Erfahrung zu einer für Sie wertvollen Erfahrung machen Wenn ja, freue ich mich über eine entsprechende Bewertung. Alles Gute,

Ihre Marion Weber

Bewertung durch den Fragensteller:
Vielen Dank! Meine Vermutung wurde bestätigt.