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Ratgeber Systemische Therapie

Die systemische Therapie betrachtet den Einzelnen als Teil eines Systems. Über vielfältige Beziehungen ist der Einzelne mit anderen verbunden. Die Grundannahme lautet: Probleme entstehen im System und können nur im System erkannt, therapiert und gelöst werden. Ein System umfasst mehrere Ebenen: Das Individuum, mit seinen inneren Facetten, als Teil der Familie, der Arbeitsgruppe, der Organisation und der Gesellschaft. - von Dipl.-Psych. Cay Helmich, Systemischer Coach (DGfC)

Manchmal hat das problematische Verhalten auch Vorteile

Es wird in der systemischen Therapie nicht gefragt: Warum macht jemand etwas falsch? Sondern: Wann und wie macht jemand etwas richtig? Oder: Wie könnte jemand etwas richtig machen? Es werden Fragen gestellt, die Anstöße zu Veränderungen geben. Und dies wirkt. Es beginnt schon beim Erstkontakt am Telefon. Hier werden die positiven Aspekte, die in dem momentanen Problemverhalten liegen, gewürdigt. Der Klient kommt so wieder in Kontakt mit seinen Ressourcen und bekommt Lust, sie in die Zusammenarbeit und das Gestalten einer Lösung einzubringen.

Die systemische Therapie versucht, die Situationen, in denen das Problem nicht da ist, ins Zentrum zu rücken und auszubauen, damit das Problem kaum oder gar nicht mehr auftritt. Oder auch, so anders auf das Problem zu schauen, dass es einen erst mal nicht so ärgert.

Werden die Grundgedanken der systemischen Therapie auf familiäre Probleme angewendet, spricht man von (systemischer) Familientherapie.
Das Menschenbild der systemischen Therapie betont die Möglichkeiten. Kein Mensch kann jedoch eine objektive Wahrheit erfassen. Jeder kann sich immer nur sein eigenes Bild machen/konstruieren, das immer blinde Flecken hat. Aus diesem Grund ist ein anderer Mensch in schwierigen Situationen hilfreich, weil er anders schauen kann. Und eine Coach oder Therapeut besonders, weil er gelernt hat, gleichzeitig mit den Augen der Klienten und von außen, bzw. von einer anderen Warte aus, zu schauen. Aus diesem Grund arbeiten Systemiker gerne mit Skalierungen, Tatsachen, Differenzierungen, Reflektion und versuchen damit die Spielregeln und die Tanzschritte zu verstehen, die einem Problem zu Grunde liegen.
Systemische Therapeuten stellen Fragen wie: Wann ist es so? Wo gibt es einen Unterschied? Wie oft streiten Sie? In welchen Zimmer? Welche Wochentage? Welche Zeit benötigen sie zu dem Streit? Wie lang brauchen sie zum Vertragen? Wer will sich vertragen? Wer will sich nicht vertragen? Was würde sich für den Partner/Chef/Mitarbeiter ändern, wenn sie durch ein Wunder morgen ohne das Problem aufwachen würden. In der systemischen Therapie wird das Wort Klient lieber als das Wort Patient gebraucht. Da nicht jemanden behandelt wird, sondern etwas zur Lösung beisteuert wird. Systemische Therapeuten sind eine Mischung aus Forscher, Lotze (auf Ressourcen und Zielschau) und Impulsgeber.
Aus der systemischen Analyse ergibt sich nicht selten, dass das problematische Verhalten auch Vorteile für das System hat, weil es z.B. hilft, das System zu stabilisieren. Dann muss für das System ein neuer besserer Zustand gefunden werden - ohne das problematische Verhalten. Es ist jedoch nie der Einzelne, der das Problem verursacht - das Problem wird immer als Teil des Systems verstanden.

Was passiert, wenn das System keine Fortschritte macht

Falls das System keine Fortschritte macht, untersuchen Systemiker: Was verhindert den Fortschritt? Was hat der Therapeut übersehen/anders gesehen? Es geht oft um die Freiheit, das zu sehen und zu hören, was ist und dies zu respektieren und anzunehmen. Systemische Therapeuten benötigen deshalb einen scharfen Blick für Fähigkeiten, Abläufe, Unterschiede, Fortschritte und eine gewisse Schlitzohrigkeit und Wissen um die 60% unbewussten Steinzeitanteile in uns allen.
Wenn die Familie die Therapiesitzung beginnt, hat sie ihr Problem in einer Plastiktüte dabei - wenn sie sie beendet, sollte sie gut beladen sein mit neuen Plastiktüten, jede mit einer anderen Fähigkeit oder Lösung darin. Welche Plastiktüten wo und wann ausgepackt werden, obliegt der Familie.

Werkzeuge der systemischen Therapie

Die wichtigsten Werkzeuge der systemischen Therapie sind:
  • Reframing: Sachverhalten eine neue Bedeutung geben, um BVeränderungen anzuregen. Die Zicke wird so zur Freundin, die deutlich zu machen versucht, was sie gerne anders in der Beziehung hätte.
  • Paradoxe Intervention: Einer Raucherin, die momentan 20 Zigaretten raucht sagen: "Rauchen Sie die nächste Woche 30 täglich".
  • Hausaufgaben unterschiedlicher Art, zur Erledigung zwischen den Sitzungen. Beispiele: Täglich mit sich 10 min. flirten, wenn die Klientin unzufrieden mit sich ist und keine Kraft/Möglichkeit für eine Veränderung sieht. Oder: An ungeraden Tagen weniger kochen und sauber machen, an geraden Tagen jedoch das alte Verhalten unverändert beibehalten.
  • Soziogramm: Die sozialen Beziehungen im Team, in der Familie aufzeichnen oder aufkleben. Wer steht wem am nächsten? Wer steht alleine?
  • Aufstellungen / Familienskulpturen: Beziehungen und wichtige Ereignnisse werden von anderen nachgestellt - als Standbild oder auch bewegt.
  • Neue Erzählmuster finden. Wie erzähle ich eine Geschichte anders, z.B. als Horrorfilm, als Komödie, als Heldengeschichte. Sprichwörter erfinden: Vom Scheitern lass ich mich erheitern. Suboptimal kommt schon mal. Und überhaupt Geschichten und Parabeln erzählen, spielen und besprechen.
  • Briefe an sich selber und an andere schreiben, die man i.d.R. nicht abschickt.

Fallbeispiel: Systemische Familientherapie

Eine Klientin hat einen pubertierenden Sohn und sorgt sich sehr darüber, dass er vier "Fünfen" geschrieben hat und vielleicht nicht versetzt wird. Sie ist verletzt und ungehalten, weil der Sohn wochenlang nicht zur teuren Nachhilfe gegangen ist.
Aus der Sicht des Sohns ist das Leben, also auch die Schule, dazu da, um eine gute Zeit zu haben. Die Fünfen sind doof, aber man kann ja an was Schöneres denken. Die Perspektiven und damit auch die Erwartungen beider Parteien sind grundverschieden. Der Sohn will Vergnügen, die Mutter Leistung. Er macht in seinen Augen genau das, was er erreichen will. Also ist er sich eigentlich keines wirklichen Fehlers bewusst. In den Augen der Mutter macht der Sohn alles falsch, denn das Ziel Versetzung wird so nicht erreicht.
In der Therapie hat nun die Therapeutin die Aufgabe der Allparteilichkeit. Sie kann Räume schaffen und günstige Bedingungen für das Zustandekommen selbstorganisierter Veränderungen. Sie kann Ideen für mögliche funktionierende Lösungen beisteuern, z.B. so, dass das Versetztwerden zu einem Projekt des Sohnes wird. Durch Irritation bestehender Verhaltensmuster wird eine neue Ordnung geschaffen.

Gesprächstherapie in der Übersicht

Begründer und theoretischer Hintergrund:

Viele Impulse aus Systemtheorie und Konstruktivismus. Virginia Satir gilt als Mutter der Familientherapie/systemischen Therapie. Grundannahme: Der Einzelne ist Teil eines Systems.

Kostenübernahme durch gesetzliche Krankenkassen in Deutschland möglich?

Nein - siehe auch: Was kostet Psychotherapie und wer zahlt?

Anerkannt für die Ausbildung zum psychologischen Psychotherapeuten?

Ja - siehe auch: Psychotherapie - Lexikon der Psychologie

Anzahl der Studien, die Wirksamkeit belegen:

zahlreiche

Besonders empfohlen bei folgenden Störungsbildern:

Bei familiären Problemen, Problemen am Arbeitsplatz bzw. in Gruppen

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