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Ich möchte nicht mehr leben

setzuna (w, 42) aus strausberg : Ich muss es loswerden.Meine Eltern haben schon immer Alkohol getrunken,der Vater hat mich geschlagen,aber als meine Oma noch lebte konnte ich das ertragen, ich hab sie über alles geliebt.Dann bekam sie Krebs und litt unter großen Schmerzen,sie war damals bei uns zu Hause untergebracht.Obwohl sie mein ein und alles war,konnte ich mich nicht mehr überwinden in ihr Zimmer zu gehen. Wegen dem Blut und Eitergeruch.Irgendwann gab ich ihr alle Morphiumtabletten gegeben die ich bei meiner Mutter fand, sie hat mich mehrmals darum angefleht.Als ich von der schule nach Hause kam, war sie tot. Ich hab sie auf dem Gewissen. Danach ging es mit Alkohol und schneiden los. Seit 7wochen trinke ich nicht mehr und alles kommt wieder hoch, ich werde die suizidgedanken nicht mehr los. Es ist als wenn mich meine Oma zu sich ruft und ich möchte auch so gerne wieder zu ihr, wenn ich nur wüsste wie es richtig klappt und nicht wieder daneben geht. Mit der Psychiaterin kann ich nicht reden, hatte erst ein Gespräch das 10min gedauert hat. Ich glaube auch an ein Leben nach dem Tod, aber was wenn nicht? Die Gedanken werden immer konkreter, weiß nicht wie lange ich das noch aushalten kann. Im Dezember soll ich 3monate in AEB,keine Ahnung wie ich das packen soll. Brauch Hilfe, aber kann mich keinem anvertrauen, wie auch. Bin fix und fertig, so langsam dreh ich durch, aber nach außen tue ich so als ob alles in Ordnung wäre. Was kann ich nur machen, ich sehne mich nur noch nach Ruhe oder auch mal wieder eine Nacht nur durchzuschlafen.

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Setzuna,
vielen Dank, dass Sie sich in Ihrer Verzweiflung nach außen wenden und noch nicht aufgegeben haben. Ich werde, soweit ich kann, versuchen Ihnen eine weitere Richtung zu zeigen.
Mit Sicherheit haben Sie als Kind und Jugendliche sehr stark unter dem Alkoholmissbrauch und der Misshandlung durch Ihre Eltern gelitten. So war Ihre Oma die einzige Bezugsperson, der Sie vertraut haben. Doch dann wurde Ihre Oma krank und Sie haben all Ihre Leiden und die Auswirkungen dieser Krankheit hautnah miterlebt. Ihre Liebe zur Oma vermischte sich zu diesem Zeitpunkt vermutlich mit dem Ekel und der Ablehnung gegen den Zustand Ihrer Oma, den Geruch und dem langsamen Sterben. Das Bild der vertrauten Oma als liebevoller einziger Halt, den Sie zu diesem Zeitpunkt hatten und der Oma, in deren Zimmer Sie sich nicht mehr wagten, passten nicht mehr zusammen und das hat Sie höchstwahrscheinlich völlig überfordert. Selbst ausgewachsene Menschen, die fest im Leben stehen, hätten an Ihrer Stelle sehr wahrscheinlich das Selbe empfunden, so müssen Sie sich deshalb nicht schlecht fühlen. Es ist eine normale Reaktion in einer solchen Extremsituation. Dann bat Sie Ihre Oma um Sterbehilfe und Sie haben Ihr die Tabletten gegeben. Hier steht allerdings gar nicht fest, ob Ihre Oma die Tabletten tatsächlich genommen hat, genauso wenig wie feststeht, dass sie daran tatsächlich gestorben ist. Möglicherweise wäre sie auch ohne sie zu diesem Zeitpunkt gestorben. Es ist also nicht erwiesen. Aber auch wenn Sie davon überzeugt sind, dass Sie durch Ihre Handlung zum Tod Ihrer Oma beigetragen haben und sich deshalb schuldig fühlen, wiegt hier etwas Anderes viel schwerer. Sie waren damals weder seelisch gefestigt, noch hatten Sie laut Ihrer Aussage irgend eine sichere Anlaufstelle für Ihre Not. Auch wenn man den damaligen Wunsch Ihrer Oma nachvollziehen kann, so hat sie Ihnen doch eine schwere Bürde auferlegt, der Sie zu diesem Zeitpunkt niemals gewachsen sein konnten. Sie wollten Ihrer Oma aus Liebe helfen, waren selbst völlig zerrissen zwischen den Gefühlen der Zuneigung und der Ablehnung gegen den Zustand der Oma und wollten vermutlich insgeheim, dass diese Situation endet. Egal wie. Sie haben ihr die Tabletten gegeben und die Situation endete mit dem Tod der Oma. Seitdem fühlen Sie sich schuldig, weil die Liebe zu Ihrer Oma, der Wunsch sie möge nicht sterben und der genauso starke Wunsch, die Situation möge endlich aufhören, nicht zusammenpassen. Sie wurden innerlich zerrissen zwischen mehreren gegensätzlichen Gefühlen und Wünschen und es wurde Ihnen eine Verantwortung auferlegt, die Sie zu diesem Zeitpunkt niemals hätten tragen können und dürfen. Es gibt keinen Grund, sich deshalb schuldig zu fühlen.
Nun zu Ihrer heutigen Situation und Ihrem Wunsch, der Oma zu folgen. Sie sagen, Sie glauben an ein Leben nach dem Tod. Wenn dem so ist, glauben Sie sicherlich auch an eine unsterbliche Seele. Wenn Sie das tun, schließen Sie aber gleichzeitig den Tod als Lösungsmöglichkeit aus, denn auch wenn Sie sich nun das Leben nehmen würden, so würden Sie Ihre Seele mitnehmen und damit all Ihre Gefühle und auch die Schuldgefühle. Es würde sich also gar nichts ändern. Für Ihre Oma war damals die Zeit zu gehen, gekommen. Für Sie selbst aber ist jetzt die Zeit gekommen, all die unnötigen Schuldgefühle loszulassen und einen Weg zu finden, die vergangene Situation mit objektiven Augen zu betrachten. Weder waren Sie schuld am Tod Ihrer Oma, denn Sie haben Sie nicht krank gemacht. Noch waren Sie schuld an Ihren damaligen gegensätzlichen Gefühlen.
Ihre Situation ist nicht ausweglos, denn die tatsächliche Situation sieht für Sie keinerlei Qualen der Schuld mehr vor. Ich bitte Sie, noch einen Anlauf zu nehmen und mit Ihren Therapeuten genauso offen zu sprechen, wie Sie es hier getan haben. Nur dann haben Ihre Therapeuten die Möglichkeit, Ihnen wirklich zu helfen. Ich würde Ihnen auch sehr empfehlen, eine stationäre Behandlung einzufordern, damit Sie eine zeitlang von den alltäglichen Pflichten befreit sind und die Ruhe bekommen die Sie brauchen, um die Vergangenheit zu bearbeiten. Es ist normal dass all diese Themen nun wieder in Ihr Bewusstsein dringen, wenn Sie keinen Alkohol mehr trinken. Denn vermutlich war der Alkohol genau dafür da, um das Bewusstwerden zu verhindern und zu dämpfen. Also ist nun der richtige Zeitpunkt, um all das nochmal anzusehen und loszulassen. Kein junger Mensch ist für den Zustand von Eltern oder Großeltern verantwortlich und darf dafür auch nicht herangezogen werden. Erlauben Sie sich selbst weiterzuleben, auch wenn die Oma nicht mehr lebt.
Schildern Sie Ihren Therapeuten die Situation und erbitten Sie Unterstützung auf Ihrem Weg. Möglichkeiten sind genug da, auch wenn Sie selbst diese jetzt gerade nicht erkennen können.
Dafür wünsche ich Ihnen alles erdenklich Gute und seelische Freiheit für die nächsten 40 Jahre.
Viele Grüße
Monika Ströhlein
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