Navigation Psychomeda.de
Das Psychologie-Portal

Ritzen, Dissoziation und Kindheitserlebnisse

Snowwhite (w, 26) aus Baden-Baden: 26 Jahre,2Geschwister, seit 4 Jahren verheiratet,Mama von 2 Kindern.Bis zur Geb.d.1.Kind.geritzt. Immer wenn i. angesp.war, Streit hatte u unter Druck stand. verspüre den Drang immer noch,kann ihn aber unterdrücken,wg.meiner Kinder.habe großes Problem mit körperl.Nähe zu allen Pers., ausgen. Ehemann und Kindern.Habe als Kind nie bei meinen Eltern im Bett schlafen wollen, küssen und umarmen wollte i.sie bis heut nicht. Daran kann ich mich sowohl selbst erinnern, als auch von Erzählungen meiner Eltern. als Kind gerne SAchen mit der Schere zerschnitten. Meine Eltern waren mit m. damals bei einer Berat. aber es kam nix dabei heraus. Das seltsamste ist aber, dass i.seit i.denken kann bei einer best.
Art von Musik (vonHanni und Nanni Hörspielen und TKKG Hörspielen aus meiner Kindheit)Bauchgrummel+Gefühl von Heimweh oder Angst(?) bekomme+eine bestimmte Stelle in einem m.bekannten Waldgebiet vor m.sehe. M. Eltern haben m. als Kind mit einer Freundin der Fam. zum campen fahren lassen. Da war auch der Vater dieser Frd.dabei.viele Jahre später erfuhren sie, dass d.Mann die Tochter als Kind sowie d. Enkelin sex.missbraucht hat. Sie waren erschrocken, dass sie m. mitgeschickt haben und haben Ängste geäußert dieser Mann könne m.was getan haben. I.war wohl ca 10-11 J. alt damals und kann m. nicht erinnern diesen Mann jemals getroffen zu haben obwohl er ja mehrere Tage dort mit uns verbracht hat. Hingegen kann i. m. an viele andere EInzelheiten erinnern, von dem Campingplatz.Ihre Einschätzung?

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Snowwhite,

zuerst möchte ich Ihnen zu diesem ersten wichtigen Schritt gratulieren, den Sie nun gegangen sind, indem Sie sich mit Ihren Fragen und Ihrer Not an die Experten hier bei psychomeda wenden! Und ich möchte Sie bereits an dieser Stelle darin bestärken, auf diesem Weg, den Sie nun eingeschlagen haben, zu bleiben.

Wenn ich Ihr Anliegen richtig verstanden habe, dann geht es Ihnen um zwei Themenfelder
1.) Wie können Sie mit der großen inneren Anspannung fertig werden die Sie manchmal erfasst, und dem dadurch entstehenden Druck, sich wieder zu ritzen?
2.) Gibt es ein schlimmes Erlebnis in Ihrer Vergangenheit, das Ihre Gefühle beeinflusst, an das Sie aber keine Erinnerung haben, sondern eher angstvolle Ahnungen, die nicht klar zu fassen sind?

Sie beschreiben sich in einer Situation, die einer jungen Frau schon einiges abfordert. Zwei so junge Kinder zu betreuen, zu erziehen, dabei den Haushalt zu organisieren und auch eine Beziehung mit Leben zu erfüllen, lässt Sie sicher manchmal Ihre Grenzen der Belastbarkeit spüren. Das ist ganz zweifellos – neben der großen Freude an den Kindern und deren Entwicklung - eine anstrengende Zeit, die eine Familie da durchlebt.
Da möchte ich Ihnen gerne grundsätzlich ans Herz legen, liebe Snowwhite, erlauben Sie sich ruhig jegliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, die sich Ihnen bietet. Angefangen damit, dass Sie sich umhören, wo es in Ihrer Region ein Familien- oder Mütterzentrum gibt, wo Frauen in Ihrer Situation sich treffen, helfen und austauschen, oder dass Sie es sich gönnen einen Kurs in Autogenem Training oder in einem anderen für Sie passenden Entspannungsverfahren zu machen, bis dahin, dass Sie auch die Möglichkeiten einer Mutter-Kind-Kur überdenken und mit Ihrem Hausarzt oder der Gynäkologin besprechen. Alles was dazu beiträgt, dass Sie möglichst wenig innere Unruhe und Anspannung erleben müssen, sollten Sie nutzen! Denn je weniger angestauten inneren Druck Sie haben - umso weniger sind Sie dem Wunsch sich zu ritzen ausgesetzt. Nur wenn es Ihnen so gut wie möglich geht, können Sie Ihren Kindern das geben, was diese für eine gute Entwicklung benötigen. Dafür dürfen Sie ruhig auch ein wenig egoistisch werden, und Ihre eigenen Bedürfnisse gut im Blick behalten.

Und damit kommen wir zu dem zweiten Thema, das ich Ihrer Anfrage entnehme. Liebe Snowwhite, Sie beschreiben diese aufscheinenden Angstgefühle und das Bauchgrummeln, die mit TKKG- und Hanni & Nanni Hörspielen auftauchen. Diese Hörspiele sind für die Altersstufe ab 8 bis ca. 12 Jahren gedacht. Und irgendwie gibt es in Ihren Gefühlen und Ahnungen offenbar eine Verbindung zu dieser Zeit in Ihrem Leben. Sie benennen auch die Sorge, dass Sie von dem Vater dieser Freundin eventuell ebenfalls sexuell missbraucht worden sein könnten - ganz bewusst können Sie sich jedoch an nichts Konkretes erinnern.

Es ist natürlich sehr schwierig für mich, allein aus der kurzen Beschreibung Ihrer Situation, Ihnen für diese vagen und ungenauen, aber doch eindeutig Angst verursachenden Gefühle eine Erklärung geben zu können. Denn ich möchte Sie nicht noch mehr verunsichern, sondern Ihnen Möglichkeiten aufzeigen, wie Sie Ihren Weg weitergehen können.
Es ist tatsächlich vielfach nachgewiesen worden, dass die Psyche von Menschen, ganz besonders jedoch von Kindern, die großartige Fähigkeit besitzt, Situationen die zu schrecklich sind, um sie irgendwie verarbeiten zu können, einfach „ausblendet“. Man nennt dies im Fachbegriff 'dissoziative Amnesie'. Dieses Ausblenden, oder „wegbeamen“ kann dann so weit gehen, dass diese Kinder kurzzeitig nichts mehr wahrnehmen und spüren, was mit ihnen und ihrem Körper passiert, sich sozusagen in zwei Teile aufspalten, und sich hinterher auch nicht mehr erinnern. Aber natürlich hat das Körperbewusstsein noch immer die Erinnerung an diese schlimme(n) Situation(en) gespeichert. Und es gibt unter Umständen bei Ihnen eine „Körpererinnerung“, die mit den genannten Hörspielen in Verbindung steht. Aber wie gesagt, liebe Snowwhite, dies sind im Augenblick nur Erklärungsversuche für Sie, die deutlich machen sollen, dass es tatsächlich möglich ist, dass einem Kind etwas schreckliches passiert, ohne dass man sich dann als erwachsener Mensch daran erinnern kann. Diese Erfahrungen können dann manchmal auch dazu führen, dass es einen unwillkürlichen Reflex gibt, dass dieser Mensch immer dann, wenn der Stress/ die Anspannung zu groß wird, er /sie sich selbst kaum mehr spürt (wie damals....) – und es dann dieses heftige Phänomen der Selbstverletzung braucht, um mit sich und den eigenen Gefühlen wieder in Kontakt zu kommen.

Dass Sie dieser Geschichte auf den Grund gehen möchten kann ich gut verstehen. Zumal ja der Vater dieser Freundin offensichtlich tatsächlich des sexuellen Missbrauchs überführt wurde. Ich würde Ihnen dafür gerne empfehlen, dass Sie sich fachliche Hilfe suchen. Zunächst jedoch nicht um diese alte Geschichte aufzudecken, sondern um sich dabei helfen zu lassen, gute Lösungen zu finden, wie Sie den Ritzdruck reduzieren können. Dafür würde ich Ihnen gerne eine in Traumatherapie erfahrene Therapeutin wünschen. Diese Therapeuten sind erfahren im Umgang mit Erinnerungsmaterial, das nur unsicher und ahnungsweise vorhanden ist – und wissen sorgsam damit umzugehen. In dieser Therapieform ist nicht Aufdeckung das erste Ziel, sondern eine gute Stabilisierung. Ob dann auch die klare Erinnerung wieder kommt, kann ich Ihnen heute nicht zusichern. Wenn Sie aber gute Formen finden, mit Ihren Gefühlen der Anspannung und des inneren Drucks umzugehen, ohne den Ritzdruck zu erleben und ausleben zu müssen, wäre das ja schon ein erster großer Schritt für Sie.

Liebe Snowwhite, es ist nicht leicht eine Therapeutin zu finden. Wenden Sie sich daher einfach gleich direkt an Ihre Krankenversicherung und bitten Sie dort um eine Liste der Traumatherapeuten, die bei Ihrer Kasse gelistet sind. Nutzen Sie die Möglichkeiten, vor dem Beginn einer Therapie verschiedene Therapeutinnen kennen zu lernen, denn die Chemie muss passen. Die Kasse teilt Ihnen mit, wie viel solcher „probatorischer“ Sitzungen pro Therapeut übernommen werden.

Und seien Sie geduldig mit sich selbst. Lassen Sie zu, dass Sie durch andere Unterstützung erhalten sorgen Sie gut für sich, indem Sie sich Hilfe holen und genießen Sie nach Kräften die Zeit mit Ihren Kindern. Dann können Sie mit therapeutischer Hilfe Schritt um Schritt auch Ihre Ängste überwinden und voller Zuversicht und Kraft Ihren weiteren Weg als Frau, Mutter und Partnerin gehen.

Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie für die vor Ihnen liegende Zeit viel Mut und Energie - und ich bin sicher, dass Sie bald schon mehr Sicherheit und Klarheit erfahren werden.

Ganz herzliche Grüße
Karin Pfeifer
Heilpraktikerin für Psychotherapie
www.pfeifertherapie-stuttgart.de
Bewertung durch den Fragensteller:
Sehr ausführliche, gut verständliche Antwort. Einfühlsam und hilfreich! Danke!

Mehr zum Thema auf Psychomeda

Online-Beratung

Auf Psychomeda beantworten Psychologen und Therapeuten Ihre Fragen unentgeltlich. Jetzt online Ihre Frage stellen...


Therapeuten

Zuletzt aufgerufene Therapeuten-Seiten. Therapeut, Coach, Berater? Eintragen...


Beliebt auf Psychomeda


TwitterSocial Feed



Folgen Sie uns auf Twitter


Qualität

Psychomeda ist ein unabhängiges psychologisches Informations- und Beratungsportal von Psychologen und Therapeuten. Wir informieren evidenzbasiert und auf wissenschaftlicher Grundlage. Weiter