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Wie viel Geduld muss ich haben?

Nic (w, 40) aus München: Liebes Team,

hinter mir liegt eine 11-jährige Ehe mit zwei Kindern, die 2009 ziemlich abrupt endete. Ex ist fremdgegangen, nun wieder verheiratet und seit 3 Wochen erneut Vater. 2 Jahre Stress, aber so langsam wird es besser.

Anfang des Jahres lernte ich einen Griechen näher kennen, arbeitete im Restaurant des Vaters (ich wohne nebenan). Erstgeboren, 40, wohnte daheim, Single. Er sagte direkt 'ich liebe Dich nicht', aber wir kamen uns näher. Ich fühlte mich geliebt und geborgen. Wertvoll. Er half, wo er konnte.

Er fing ein Studium an, es kam zum Streit mit der Familie, er zog aus, suchte sich einen anderen Job und wurde krank, Colitis brach aus. Wir hatten aber auch tollen Sex, Umarmungen, Küsse. Doch immer im Verborgenen, Freunden und Familie bin ich die 'Ex-Nachbarin'. Im Sommer war er in GR, und danach bemühte er sich total um mich, wir hatten viele wunderbare Abende... und Gespräche: Er liebt mich nicht, aber es könnte auch sein, dass er Angst hat. 'Miss mich nicht nach meinen Worten, sondern nach meinen Taten.' Er brauche Zeit, ich Geduld... (kein Thema!)

Mitte Oktober telefonierten wir und es kam zum Streit über eine Kleinigkeit. Und er äußerte, schließlich seien wir nicht verheiratet und schmiss den Hörer hin. Seither geht er mir aus dem Weg. Ich versuchte es zu klären, er fühlt sich bedrängt, er brauche Zeit für sich, er sei ein Freigeist. Von täglichen Anrufen und mehrmals wöchentlichen Treffen auf NULL. Ich vermisse ihn wahnsinnig... er blockt ab. Was kann ich tun? Ich fühle mich schuldig und einsam...

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Nic,

danke für Ihre Anfrage, es ist schön, dass es Ihnen nach Ihrer gescheiterten Ehe langsam wieder besser geht.

Perfekt wäre nun ein neuer Mann gewesen, mit dem Sie wieder Liebe, Nähe und Geborgenheit erleben können. Der Anfang war gemacht, beim Lesen Ihrer Beschreibung beschlich mich jedoch ein seltsames Gefühl. Ein Mann lebt mit 40 Jahren noch zuhause. Waren Sie seine erste Beziehung? Seine Äußerung 'Miss mich nicht an meinen Worten...', kann tatsächlich als eine Angst vor fester Bindung interpretiert werden, die ihn ja verletzlich machen würde. Ein weiterer Hinweis ist die Aussage, er sei ein Freigeist. Auch dahinter steckt eine Angst. Es bedeutet natürlich für ihn eine große Veränderung, mit der Familie zu brechen, auszuziehen. Die Colitits kann eine Folge davon sein, wobei ich hier keine Diagnosen stellen kann.

Wie geht es nun Ihnen damit, dass Sie Geduld haben sollten? Dass Sie sich einsam und fast amputiert fühlen in der jetzigen Situation, kann ich sehr gut nachvollziehen. Warum und wofür aber sollten Sie schuldig sein? Ich sehe dazu keinen Grund, denn es kann nicht der Anspruch des einen Partners sein, dass der andere Partner sich immer wieder hintan stellt mit seinen Bedürfnissen. Und das tun Sie, so habe ich den Eindruck. Es kann gut möglich sein, dass er sich bedrängt fühlt, aber das ist sein Empfinden. Es sagt nicht aus, dass Sie etwas 'falsch' gemacht haben. Es kann einfach sein, dass Ihre Vorstellung von Beziehung oder Ihre Erwartungen aneinander gänzlich unterschiedlich sind.

Es hat auch wieder etwas mit Angst zu tun, dass Ihr Freund blockt, Angst, dass Sie etwas fordern, was er nicht bringen kann oder will. Dass es für Sie unerträglich ist und Sie gerne mit ihm sprechen wollen, hat ebenfalls Angst als Antrieb. Angst, ihn zu verlieren. Ich rate Ihnen, in sich hineinzuspüren und zu fühlen, was diese Situation noch in Ihnen auslöst. Vielleicht Zorn über sein Verhalten? Vielleicht auch den Entschluss, sich nicht weiter so behandeln zu lassen? Versuchen Sie noch einmal ein klärendes Gespräch zu führen. Wenn das nicht gelingt, dann gibt es nur die Möglichkeit, seinen Rückzug zu akzeptieren und, so banal es klingt, zu verarbeiten, damit Sie innerlich wieder frei werden.

Ich kann mir vorstellen, dass es Ihnen jetzt gerade ziemlich schwierig erscheint, in diese Richtung zu handeln. Vielleicht sind einige Gespräche bei einer/m geeigneten Therapeutin/en nötig, damit Sie sich über Ihre Wünsche und Ziele klar werden können. Im Klärungsprozess ergeben sich oft neue Wege und Möglichkeiten, um das Lebensschiff wieder selber zu steuern und eigenverantwortlich zu entscheiden. Letztendlich ist jeder der Partner nur für sich verantwortlich, also auch Ihr Freund.

Ich wünsche Ihnen die Kraft und den Mut, um die Situation in Ihrem Sinne ändern zu können!

Herzliche Grüße

Claudia Schmitt

Heilpraktikerin für Psychotherapie

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