Schwierigkeiten in der Ehe

Antwort vom Psychomeda Therapeuten-Team:

Liebe Yvonne,

ich habe das Gefühl, daß mir ein paar Informationen in Ihrer Zuschrift fehlen. Sie schreiben, Ihr Mann hätte keine Lust 'neu anzufangen'. Was genau meinen Sie damit? Empfinden Sie die Äußerung Ihres Mannes so, daß er 'eigentlich' gehen möchte, aber 'aus Gewohnheit' bei Ihnen bleibt?

Sie schreiben viel von ihm, seiner Geschichte, seiner Bindungsunfähigkeit. Dabei offenbaren Sie praktisch nichts von sich selbst. Wie beschreiben Sie Ihre eigenen Gefühle? Sind Sie enttäuscht? Sind Sie zornig? Lieben Sie Ihren Mann? Wünschen Sie sich mehr Aufmerksamkeit?

Die Einstellung Ihres Mannes läßt vermuten, daß er nicht erst 'seit gestern' so empfindet, sondern sich diese Stimmung offensichtlich schon durch sein ganzes (Beziehungs-)Leben fortsetzt. Da Sie aber nun schon seit 18 Jahren zusammen sind, fehlen mir Ihre eigenen Empfindungen. Wann haben Sie z. B. davon erfahren, daß er fünf feste Beziehungen hatte, einmal verheiratet war und mehrmals fremdgegangen ist? Sie schreiben, er hätte sich aufgrund vergangener Erfahrungen nicht richtig auf Sie einlassen können, aber wie haben Sie selbst es geschafft, damit 18 Jahre zu leben? Sie merken, ich habe viele Fragen, die sich nur um Ihr Erleben, um Ihre Gefühle drehen!

Eine Beziehung, eine Ehe, ist immer ein 'Wechselspiel' von Nähe und Distanz. Es gibt ein WIR, aber es gibt auch zweimal ICH, das ist dann die 'Freiheit', die Sie auch ansprechen. Ein richtiges oder falsches Maß für dieses 'Wir-Ich-Thema' gibt es nicht, das muß jedes Paar für sich selbst herausfinden - genau das ist das, was allgemein 'Beziehungsarbeit' genannt wird.

Wenn sich nun ein Partner dieser Arbeit vollständig verweigert, indem für ihn ausschließlich das ICH zählt, zwingt er den anderen Partner, in diesem Falle Sie, zur Handlung.

Wie kann diese Handlung nun aussehen? Bitten Sie Ihren Mann zu einem Gespräch, in dem Sie ihm ruhig und ernsthaft mitteilen, daß Sie sich in Ihrer Ehe nicht mehr ausreichend beachtet und gewürdigt fühlen. Vielleicht können Sie ihm sogar mitteilen, was Sie an ihm lieben oder geliebt haben und daß Ihnen das jetzt fehlt. Geben Sie ihm den Raum, zu antworten, aber verlangen Sie auch eine Antwort, die sind Ehepartner einander schuldig.

Wenn Sie keine Perspektive sehen, sich einander anzunähern, sollten Sie ehrlich zu sich selbst sein und das Thema Trennung betrachten. Dies ist kein Ratschlag, sich zu trennen, sondern soll Ihnen einfach verdeutlichen, daß Sie verschiedene Handlungsoptionen haben, auch, wenn sie Ihnen im Augenblick vielleicht Angst machen. Wenn Sie sich mit der augenblicklichen Situation überfordert fühlen, empfehle ich Ihnen, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sowohl für sich selbst, um Ihre eigene Position, Ihre Enttäuschungen, Wünsche und Bedürfnisse besser wahrzunehmen, als auch paartherapeutische Hilfe, um eine respekt- und liebevolle Kommunikation (wieder-)herzustellen, sofern Sie beide dies wünschen.

Wie schon angesprochen, Beziehungen erfordern Arbeit, gerade in schwierigen Phasen. Solange eine Form von Zuneigung, noch besser Liebe, besteht, lohnt sich diese Arbeit immer!

Mit herzlichen Grüßen

Ihr

Holger Nikolai

Bewertung durch den Fragensteller:
Vielen Dank.